Wie bereichernd die Menschen und die Kultur der Ukraine über ein Jahr nach Beginn des Angriffskrieges sein können, hat die Ukraine Woche im Kunstraum des Bad Honnefer Rathauses gezeigt, veranstaltet vom Verein zur Förderung von Kunst & Kultur in Bad Honnef e.V.. Mit organisiert hat diese Ausstellung die aus der Ukraine geflüchtete Olga Alokhina. Grund genug, diese 31 Jahre alte Frau näher kennen zu lernen, die sicher stellvertretend für viele aus der Ukraine Geflüchtete stehen kann. Wir haben die Antworten in dem schon so guten, aber selbstverständlich noch ein wenig „gebrochenen“ Deutsch gelassen, mit dem Olga Alokhina unsere Fragen z.T. zunächst schriftlich beantwortet hat, um das Interview so authentisch wie möglich zu halten.
Wann sind Sie nach Bad Honnef gekommen, und woher kommen Sie? Wie war Ihr Weg bis Bad Honnef?
Am 3. März 2022. Dieses Datum kann nicht aus dem Speicher gelöscht werden. Krieg! Dieses schreckliche Wort ist in das Leben eines jeden Ukrainers eingedrungen! Es ist unmöglich, über den Morgen des Kriegsbeginns zu sprechen, es ist unmöglich zu schreiben, und es ist schmerzhaft, sich daran zu erinnern… -Es war schwer zu erkennen, dass dies ein echter Wintermorgen des 21. Jahrhunderts ist und keine Bilder eines Films über die Schrecken des Krieges.
Die Stadt Bad Honnef bot Müttern und Kindern, die sich vor dem Krieg verstecken wollen, schnell Hilfe an. Ich bin immer noch erstaunt über die Großzügigkeit und Gastfreundschaft, den herzlichen Empfang dieser friedlichen Stadt. Ruhe scheint das Nötigste in dem Moment zu sein, wenn man vor den lauten Sirenen und dem brennenden Himmel davonläuft. Meine Heimat ist in Kiew. Der Umzug war für mich nicht einfach, denn das Zuhause, meine Verwandten zu verlassen und alles bei Null anzufangen.
Führte Sie der Weg direkt nach Bad Honnef?
Ja, es gab einen direkten Weg in diese gemütliche Stadt. Der Umzug wurde uns von Deutsche Welle Mitarbeitern angeboten, die in Kiew arbeiten (der Vater meines vierjährigen Sohnes arbeitet für diese Firma in der Ukraine). Alles war perfekt organisiert. Die Kinder und ihre Mütter waren alle zusammen unterwegs, wir wussten nicht, was uns erwartete, aber es erinnerte uns an einen sehr teuren Service in einem Fünf-Sterne-Hotel, weil alles bis ins Kleinste durchdacht war (sowohl eine Übernachtung in Polen als auch ein Zwischenstopp für einen Snack, alle lächelten und halfen). Da wir ohne persönliche Sachen abreisten, wurden unsere Kinder schon unterwegs mit Kleidung, Süßigkeiten und Essen versorgt. Ich habe die Unterstützung und Sympathie der Menschen aus tiefstem Herzen gespürt!
Wie kam es, dass Bad Honnef für Sie dann die Stadt wurde, wo Sie auch dauerhaft untergekommen sind?
Am ersten Tag wurden wir von einer unglaublichen Familie in Bad Honnef in ihrem eigenen Haus empfangen. Um ehrlich zu sein, bin ich so beeindruckt von der herzlichen Aufnahme dieser Familie, der Aufmerksamkeit und der Liebe, dass es sogar schwierig ist, diese Gefühle zu beschreiben. Ich wollte immer wieder bei ihnen sein. Jetzt leben wir immer noch zusammen, und ich kann mir nur schwer vorstellen, wie traurig ich dieses Haus verlassen werde, wenn ich eine neue Wohnung finde. Aber ich bin mir sicher, dass wir uns immer wieder mit unseren Gastgebern auf einen Kaffee oder im Urlaub treffen werden.
Was waren für Sie die größten Herausforderungen,als Sie nach Bad Honnef kamen?
Ich könnte jetzt etwas zu Bürokratie und Papierkram sagen, aber ich gehöre zu denen, die diese Form der Kommunikation mögen. Ich bin Philosoph von Beruf, also sind Korrekturlesen, Formulare ausfüllen und auf Details achten meine Sache. Bei der Medizin war es hier etwas unklar, denn keinen Arzt erreichen zu können, ist immer beängstigend, nicht nur als Mutter, sondern auch als Stadtbewohnerin. Dank gewisser Deutschkenntnisse aus der Schule fiel es mir sehr leicht, mich an neue Lebensumstände zu gewöhnen.
Wie war die Situation für Ihren Sohn? Was waren oder sind die größten Herausforderungen für ihn?
Nach dem Umzug hatte mein Sohn Schlafprobleme, für mich war es körperlich und seelisch schwer, das durchzustehen. Als in Bad Honnef beim Schlafen Flugzeuggeräusche am Himmel zu hören waren, konnte das Kind nicht schlafen, es schrie ständig. Nach drei oder vier Monaten verging dies, und ich beruhigte mich. Heute ist mein Sohn in verschiedenen Sportabteilungen angemeldet, dieses Jahr kommt er in die erste Klasse, und ich bin stolz auf seine Aussprache und seine Deutschkenntnisse. Wir danken den Erzieherinnen des Kindergartens, und unseren Vermietern, die mit ihm auf Deutsch kommunizieren.
Was machen Sie heute in Bad Honnef? Haben Sie Arbeit gefunden und wenn ja welche? Haben Sie mittlerweile deutsche Freunde oder ukrainische Freunde hier in Bad Honnef?
Ich mochte Kinderfotografie und journalistische Arbeit. Ich machte die ersten Schritte im Mutterland, damit meine Leidenschaft zu etwas Größerem wuchs und ich ein kleines Fotostudio in meiner Stadt hatte. Der Krieg versuchte, alle Pläne zu zerstören, aber „solange wir bis zum Ende durchhalten, wird uns der Krieg nicht zerstören“. Das sind die Worte eines Liedes eines ukrainischen Künstlers, die für mich und viele Ukrainer wie ein Wegweiser klingen. Während meiner gesamten Zeit in Bad Honnef gelang es mir, eine Ausstellung meiner Arbeiten über Kindheit und den Zusammenhalt der ukrainischen Nation zu organisieren und die Fotos eines amerikanischen Fotografen zu präsentieren, der die zerstörten Städte der Ukraine gefilmt hat. Am 16. April wurde diese Ausstellung in der Galerie beim Rathaus in unserer Stadt fortgesetzt. Auch mein kleines Buch für Kinder und Zeichnungen, die Kinder beim Lesen ukrainischer Märchen gemacht haben, wurden von Kindern der Honnefer Grundschulen vorgestellt. Ich wollte die ganze Palette der kindlichen Innenwelt auf Papierbögen vermitteln. Während der Organisation der Ausstellung traf ich viele deutschsprachige Journalisten, Künstler und viele Einwohner unserer Stadt. Ukrainische Freunde halfen mir bei der Vorbereitung. Jemand konnte ein Musikinstrument spielen, jemand backte leckere Kuchen, jemand half bei der Verbreitung von Informationen. Deshalb hieß meine Ausstellung „Stärke in Einheit“. Und das ist keine Übertreibung.
Welche Pläne oder Wünsche haben Sie für die nähere und weitere Zukunft?
Ich möchte schnell einen interessanten Job finden, der mit Fotografie und dem Schreiben von Artikeln zu tun hat. Ich habe Praktikum in einem Kindergarten gemacht, aber leider kann man in Deutschland ohne Fachdiplom in diesem Bereich nichts anbieten. Obwohl in den Kindergärten Personalmangel herrscht.
Haben Sie Ideen oder Wünsche, wie wir den Geflüchteten das Leben leichter machen könnten hier in Bad Honnef?
Ichglaube, die Stadt hat uns alles Mögliche und Unmögliche geboten. Dafür sind Tausende von hier lebenden Ukrainern dieser Stadt und den Menschen, die hier leben, dankbar. Es könnte aber vielleicht eine Beratungsstelle für Ukrainer organisiert werden, wo man zum Beispiel einen Dolmetscher für den Arztbesuch, einen Babysitter für ein Kind oder eine Beratung zum Ausfüllen von Papieren vom Jobcenter beauftragen könnte.
Liebe Frau Alokhina, ich bedanke mich sehr für das Interview.
Übrigens: Die Ausstellung im Kunstraum in Bad Honnef kostete keinen Eintritt. Die Veranstalter aber haben die Spenden, die zusammen kamen, dem Verein Help Force Bad Honnef zur Verfügung gestellt, der in der Ukraine direkt hilft, damit auch die Väter der Kinder, die Ehemänner und Verwandten der geflüchteten Frauen, Hilfe bekommen.