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Mythos Wald – Ein Stück deutscher Seele

von Klaus Köhn

Heimatfilme und -romane, die Bergwelt und der deutsche Wald sind im deutschen Charakterbild besonders ausgeprägt. Darunter hat der Wald für Jung und Alt immer wieder einen hohen Stellenwert. Waldkindergärten, die sich an der Naturraumpädagogik ausrichten, finden immer mehr Anklang.  Wald gehört zum deutschen Heimatgefühl. Gefällte Bäume und Bäume, die noch gefällt werden sollen, lösen immer wieder kontroverse öffentliche Diskussionen aus.

Schon seit jeher hat der Wald Einfluss auf das Seelenleben der Menschen genommen. Bereits vor über 2000 Jahren wurde der Wald in alten chinesischen Liedern gepriesen. Im alten Ägypten galten Bäume als heilige Wohnstätten der Götter und schon in der Antike wurden Landschaften mit Wäldern in besonderer Weise dargestellt. Die Empfindungen der Menschen, die durch den Wald ausgelöst werden, sind überall auf der Welt verschieden und haben sich mit der kulturellen Entwicklung immer wieder verändert. So rückt der Wald immer wieder in den kulturellen Fokus, in der sich die deutsche Seele in allen Generationen abbildet. Zunächst wurde er als bedrohliche Natur mit wilden Tieren, Hexen und Dämonen empfunden. Davon zeugen die Märchen, u. a. Hänsel und Gretel, die im Wald ausgesetzt wurden, oder Rotkäppchen, das im Wald dem bösen Wolf begegnet. Schon der altrömische Geschichtsschreiber Publius C. Tacitus beschrieb in seiner Schrift Germania, dass das Land auf ihn bei allen Unterschieden mit seinen Wäldern und Sümpfen einen schaurigen und widerwärtigen Eindruck machte.

Dann wandelte sich seit dem 18. Jahrhundert nachhaltig der Blick auf den Wald. Er wurde zum Motiv der Dichtung, der Malerei und in der Musik. Theodor Storm lässt Knecht Ruprecht sprechen „Von draußen, vom Walde komm ich her“, und er lässt es Weihnachten werden.

Ludwig Tieck dichtete

Waldeinsamkeit, die mich erfreut,

So morgen wie heut in ew´ger Zeit“.

Carl Maria von Weber brachte den Wald mit seiner Oper „Der Freischütz“ auf die Bühne und traf damit den Nerv der deutschen Romantik. Bis zum heutigen Tag wird diese Oper auf der Freilichtbühne in Rathen (Sächsische Schweiz vom Wald umgeben) immer wieder aufgeführt. Adalbert Stifters enge Naturverbundenheit zeigt sich besonders in den Schilderungen des Böhmerwaldes, dessen Rauschen und Wehen man in vielen seiner naturnahen Werke vernimmt. Die deutsche Sängerin Alexandra sang in voller Hingebung „Mein Freund, der Baum“. Der Märchenwald berührt die deutsche Seele und ist zum Wanderziel, Freizeit- und Erlebnispark geworden.

In den 1980er und 1990er Jahren schreckte die deutsche Öffentlichkeit auf. Der Wald wurde krank. Die Menschen zeigten sich sowohl erschüttert als auch empört. Ein Mosaiksteinchen eines Heile-Welt verkörpernden Gesellschaftsbildes drohte herauszubrechen. Die Politik war gefordert, schädliche Emissionen einzuschränken, Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen und den Einbau von Katalysatoren vorzuschreiben sowie verbleites Benzin zu verbieten. Mit der Begünstigung weiterer ökologischer Forschung und Maßnahmen gegen Luftverschmutzung und zur Erhaltung der Natur entwickelte sich Deutschland damals zum Vorreiter des Umweltschutzes. Im rheinischen Braunkohle-Revier Garzweiler wurde für den Erhalt des Hambacher Forstes und den Ausstieg aus der Kohleverstromung buchstäblich um jeden Baum gekämpft. Die letzten regenarmen Sommer und Orkane gefährdeten den Wald erneut. So rückt der Wald, gestützt durch die Bewegung Friday for Future, immer wieder in das Bewusstsein der deutschen Seele.

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