Allgemein, Vermischtes

Heimat – das schönste deutsche Wort…

von Klaus Köhn

Der Herbst klopft an. Viele Reiselustige dürften ihr Fernweh geheilt haben, so dass Heimat wieder zum kostbareren Gut und gemütlichen Ort wird. „Heimat“ und „gemütlich“ gehören zusammen, so dass sie nahezu in der deutschen Sprache einen Alleinstellungswert haben und auch nicht immer in andere Sprachen zu übersetzen sind.

Dazu passen noch zwei weitere Begriffe: Zeit und Ort. Viele Ältere erinnern sich, als sie 1945 flüchten mussten und vertrieben wurden. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine stieg die Zahl mittlerweile auf über 100 Millionen Menschen an, die unterwegs sind. Ihnen wurde mit der Heimat ein Stück Seele genommen. Nach Wolfgang Borchert (1921 – 1947) sind sie ohne Bindung und Tiefe, ohne Glück, Heimat und Abschied. Sie stehen „Draußen vor Tür“, und ihre „Tiefe ist der Abgrund“.

Borcherts Aussagen verdeutlichen, was Heimat bedeutet: Zugehörigkeit durch Herkunft, verwurzelt und vertraut sein durch Kindheitserleben, die Muttersprache und menschliche Nähe in verlässlichen und liebevollen Beziehungsstrukturen. Dazu gehören erste Eindrücke und der Ort mit seiner Umgebung, z. B. das Kennenlernen des Meeres, der Berge, Seen, Bäche und Flüsse, der Blumen und Bäume und das Schmecken der ersten Früchte.

Heimat ist Erinnerung, Gedächtnis und Geschichte, ein unverwechselbares Gefühl. Nichts kann unsicherer sein als Gefühle, wenn wir spüren, dass grundsätzlich nicht mehr alles stimmt. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Klimawende und die Energiekrise u.v.m. machen uns nachdenklicher und geben Anlass zu Sorgen. Mit der Globalisierung und Schnelllebigkeit wächst Entfremdung. Immer mehr Menschen fühlen sich fremd im eigenen Land.

Die wachsende Sehnsucht nach Heimat nimmt zu. Doch wo haben die Menschen ihre Heimat? Ist unsere Gesellschaft noch fähig, die uns belastenden Probleme noch zu lösen?

Heimat ist der konkrete Raum, wo der Mensch aus dem Urvertrauen heraus, gewachsen aus  liebenden Beziehungen,  in sein erstes Erleben hineinwächst, die ersten Originaleindrücke erfährt und u. a. erlebt, was für ihn Familie, Kindergarten, Schule, Freundinnen und Freunde bedeuten und seine Welt Wirklichkeit wird.

Das heimatlich geprägte vertraute Beziehungsgefüge fördert unsere Identität und trägt zu dem Gefühl bei, woher wir kommen, und wer wir sind. So trägt Heimat zum Prozess der Entstehung und Entwicklung der individuellen Persönlichkeit in interaktiven Auseinandersetzungen mit den sozialen Lebensbedingungen bei und bleibt ein vor den Lebensstürmen schützender Hafen. Heimat vermittelt Maßstäbe und Sinn für Tradition, ohne die wir im Haltlosen schweben würden. Sehnsucht nach der Ferne mit ihren exotischen Schönheiten erhalten erst dann ihren Stellenwert, wo es Nähe zur Heimat gibt. Wir brauchen die Nähe, um den Reiz der Ferne auszukosten. Der Autor Bernhard Schlink sagt in seinem provozierenden Essay „Heimat als Utopie“ (2000) aus: „Das eigentliche Heimatgefühl ist das Heimweh.”.

Wo keine Heimat ist, fehlen Hoffnung, Sehnsucht und Träume. Vieles bleibt unerfüllt.  Erst der Verlust scheint etwas besonders kostbar machen. Das Autorenteam Thea Dorn und Richard Wagner ergänzen („Die deutsche Seele“, 2011): „Heimat ist eines der schönsten Wörter der deutschen Sprache.“

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